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武德少林寺

Die Tugenden der Kampfkünste im Shaolin Tempel (wǔdé)

Shaolin Tempel China, StehleDas Wude ist ein Regelwerk, das im Shaolin Tempel von allen Schülern gelernt wird. Es ist ein wichtiges moralisches Gerüst für das Studium der Kampfkünste.

Der Shaolin Tempel in Österreich ist ein direkter Ableger des Song Shan Shaolin Tempels in China. Das hier vorliegende Wude ist eine Übersetzung des Originals, das im Shaolin Tempel in China gelehrt wird.

Wir würden uns freuen, wenn sich Schüler aller Kampfkünste mit diesem Wude beschäftigen, die Tugenden kultivieren und verinnerlichen.

Bodhidharma

BodhidharmaBodhidharma brachte nach seiner neun-jährigen Meditation neben dem Chan-(Zen)-Buddhismus, dem Shaolin Kung Fu und einigen Qi Gong-Übungen auch das Wude in den Shaolin Tempel.

Diese Regeln sind noch immer eine wichtige Grundvoraussetzung zum Lernen und dem verantwortungsvollem Umgang mit den Kampfkünsten. Sie sichern das Kontrollieren und Bestehen eines reinen Herzens, ohne dass man in den Kampfkünsten nicht voranschreiten kann.

1. Die erwarteten Tugenden

慈悲  Barmherzigkeit (cíbēi)

Die Barmherzigkeit ist eine wichtige Eigenschaft des menschlichen Charakters – eine barmherzige Person öffnet ihr Herz fremder Not – und ist eine der Haupttugenden und Pflichten des Buddhismus wie auch des Wude, die es zu kultivieren gilt.

Im Buddhismus wird die Barmherzigkeit üblicherweise als Mitgefühl bezeichnet und ist im Kern das Ergebnis meditativer Einsicht und Erlebens. Voraussetzung dafür ist die Achtung vor dem Leben, da diese zur Achtung vor Mitmenschen führt. So hat der wahre Kämpfer, wenngleich sein Körper einer gefährlichen Waffe ähnelt, dennoch ein friedvolles, barmherziges Herz.

自制  Selbstbeherrschung (zìzhì)

Selbstbeherrschung ist notwendig für einen Kämpfer und für einen Meister, um sich niemals zu einem unnötigen Kampf provozieren zu lassen, um einen unausweichlichen Kampf zu gewinnen und um im Ernstfall das notwendige Maß der Selbstverteidigung niemals zu überschreiten.

Selbstbeherrschung ist aber auch beim Erlernen der Kampfkünste unabdingbar, um diese überhaupt meistern zu können.

Nur mit strenger Disziplin und Unnachgiebigkeit gegen uns selbst können wir das Beste aus uns herausholen und das höchste Ziel erreichen.

谦虚  Bescheidenheit (qiānxū)

Bescheidenheit zeichnet einen Schüler der Kampfkünste im Shaolin Tempel aus. Prahlerei ist ihm fremd. Er bringt den Lehrern und den Leitern des Tempels Respekt entgegen und ordnet sich in die Hierarchie des Tempels ein. Er übernimmt die Aufgaben, die ihm zugedacht werden, und führt sie mit all seiner Kraft aus. Alles was er tut, tut er mit ganzem Herzen.

Bescheidenheit befähigt ihn dazu, sich niemals zu überschätzen und seinen Gegner niemals zu unterschätzen.

2. Die zu erlernenden Tugenden

Der Shaolin Tempel erwartet von seinen Schülern, dass diese im Besitz verschiedener Tugenden sind oder sich diese im Laufe ihrer Ausbildung auf dem Weg zum Meister aneignen. Diese allgemeinen Tugenden unterscheiden wir in die

  • fünf „Tugenden der Handlung“ (nach außen gerichtet)
  • fünf „Tugenden des Geistes“ (nach innen gerichtet).

2.1 Die Tugenden der Handlung

谦虚  Demut (qiānxū)

Demut kann nur entstehen, wenn man bereit ist, seinen Stolz zu kontrollieren und manchmal auch zu überwinden. Die Befriedigung der eigenen Wünsche ist nicht über alles andere zu stellen.

Meisterschüler des Shaolin Tempels stellen die Bedürfnisse und Erfordernisse des Tempels über ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse.

尊敬  Respekt (zūnjìng)

Respekt ist die Grundlage aller Beziehungen zu Menschen, Tieren und allen Dingen. Dazu gehört auch der Respekt vor sich selbst.

Im Umgang mit allen Dingen soll ein Schüler Respekt zeigen. Wer keinen Respekt zeigt gegenüber den Lehren und der Leitung des Shaolin Tempels, wird von diesen auch nicht weiter in den Künsten vorangebracht werden.

Respekt zeigt sich auch in der Einhaltung der Regeln und der Etikette. Dies ist die Basis, auf der die Gemeinschaft des Shaolin Tempels funktioniert.

正义  Rechtschaffenheit (zhèngyì)

Rechtschaffenheit ist eine Lebenseinstellung und besagt, dass man das was man für richtig hält, auch tut und das, was man nicht tun sollte, auch lässt. Hierbei sind kulturelle und gesellschaftliche Maßstäbe nicht so entscheidend, wie der Respekt vor allen Menschen und Wesen und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein.

Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen, wird von jedem Schüler von Shaolin erwartet.

信用  Vertrauen (xìnyòng)

Vertrauen umfasst auch, vertrauenswürdig zu sein und sich selbst vertrauen zu können. Jeder Schüler von Shaolin sollte eine Persönlichkeit entwickeln, der man vorbehaltlos vertrauen kann. Vertrauen ist die Basis jeder echten Freundschaft.

Vertrauen ist auch die Basis der Gemeinschaft des Shaolin Tempels. Die Schüler sollen ihren Lehrern und Meistern und der Leitung des Tempels vertrauen, und die Leitung des Tempels und die Meister müssen den Schülern vertrauen können.

忠誠  Loyalität (zhōngchéng)

Loyalität ist die Basis von Vertrauen und jeder Beziehung innerhalb der Gemeinschaft des Shaolin Tempels. Loyalität ist unter Umständen die wichtigste aller Tugenden der Handlung.

Loyalität bedeutet, sich zu den Werten des Shaolin Tempels zu bekennen.

2.2 Die Tugenden des Geistes

意志  Wille (yìzhì)

Ein wichtiges Ziel des Shaolin Tempels ist es, bei seinen Schülern durch die Kampfkünste einen starken Willen zu entwickeln. Dies ist notwendig, damit der Schüler seine Ziele nicht aus den Augen verliert und intensiv die Künste studiert.

Ein eiserner Wille, den zu haben von Vorteil ist, darf jedoch nicht zum Nachteil der anderen Angehörigen des Tempels oder des Tempels selbst eingesetzt werden. Er sollte auch nicht anderen Menschen zum Nachteil gereichen.

忍耐  Ausdauer (rěnnài)

Ausdauer bedeutet, unablässig zu üben und zu trainieren. Dies gilt sowohl für die physischen als auch für die mentalen Fähigkeiten, die der Schüler im Shaolin Tempel entwickelt.

Ausdauer ist notwendig, um sich in der Kunst und in allen Dingen zu verbessern. Ein Angehöriger des Shaolin Tempels hört niemals damit auf, mit Ausdauer an sich zu arbeiten.

軼力  Beharrlichkeit (yìlì)

Beharrlichkeit bedeutet, auf das Ziel hinzuarbeiten, etwas zu erlernen. Beharrlichkeit ist es, die den Schüler dazu befähigt, immer wieder zu versuchen, Fehler zu korrigieren und einmal Erlerntes immer wieder auf Fehler zu untersuchen, um diese zu vermeiden.

Beharrlichkeit ist es, die einen Schüler von Shaolin niemals darin müde werden lässt, sich zu verbessern.

耐心  Geduld (nàixīn)

Geduld ist die Tugend, die den Schüler dazu befähigt, auch dann weiterzumachen, wenn er den Sinn dessen, was er tut, noch nicht erkennt, und wenn ihm das Ziel unerreichbar erscheint. Geduld ist es, die ihn dazu befähigt, ständig an seinem Fortschritt zu trainieren, auch wenn man ihn noch nicht erkennen kann, und solange an sich zu arbeiten, bis man wahre Meisterschaft erreicht.

Geduld ist eine der wichtigsten Tugenden für den Schüler, um richtig und korrekt zu lernen, und für den Lehrer, um den Schüler anzuleiten und ihm das Wissen mit Sorgfalt richtig zu vermitteln.

勇敢  Mut (yǒnggǎn)

Mut ist notwendig, um die Kampfkünste zu erlernen und um in schwierigen Situationen richtig zu handeln. Schüler des Shaolin Tempels arbeiten beständig an ihrem Mut.

Dieser Mut ist aber nicht mit dem blinden Mut zu verwechseln, der seinen Ursprung in unkontrollierten Gefühlen, Dummheit oder Angst hat. Mut bedeutet nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Überwinden derselben.

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